Gestern hat Linus Neumann (@Linuzifer) auf Netzpolitik.org einen interessanten Kommentar (ChromeBook – Die Produktionsmittel der Informationsgesellschaft) geschrieben.
In seinem Kommentar schreibt er u.a. über seinen ersten PC (ein C64) und die Möglichkeiten, welche dieses Gerät versprach und über das Internet als dezentrale Struktur und die Einschränkungen, die dieses schon früh erfahren hatte:
Mir wurde erzählt, dass das Internet eine dezentrale Struktur war, die man sich beim Militär ausgedacht hatte: Damit nicht mit einem einzelnen Schaden an zentraler Stelle die Kommunikationsinfrastruktur kaputt wäre. Und dass das Internet zwischen jedem einzelnen angeschlossenen Rechner eine direkte Datenverbindung ermöglicht. Dass nicht nur auch ich einen IRC-, FTP-, HTTP-, SSH-, POP3-, SFTP-, XMPP- und was-weiß-ich-nicht-alles-Server aufsetzen konnte, sondern alle!
Das Problem war: Mit meinem Modem machte das nur wenig Sinn. Schnellere Internetverbindungen mussten her. Spätestens mit DSL wurden diese dann aber leider asymmetrisch: Ich konnte zwar schnell herunterladen, aber bei weitem nicht so schnell Daten senden. Schon in meinen Anschluss war also die Trennung in Anbieter und Kunden fest eingebaut: Mein Internet-Anschluss war mir zum Empfangen von Daten erteilt worden.
Aber nicht nur das Netz und seine Möglichkeiten wurden von den wenigsten eingefordert und/oder genutzt, auch das zunehmende Potential der PCs überstieg immer mehr die Fähigkeiten der zunehmenden Nutzerzahl.
[…] Für das produktive Arbeiten wurde der Personal Computer weiterhin gebraucht und genutzt. Speicherplatz & Rechenleistung der Geräte stiegen exponentiell, die Preise wurden immer erschwinglicher. Irgendwann würde mein dezentrales Netz gleichberechtigter- und -mächtiger Maschinen (und Menschen, die sie steuerten) noch kommen, denn die Bürger bekamen gerade die Mittel dazu in die Hand: Leistungsfähige Computer, hohe Bandbreiten, Hosting-Angebote. Das, was in diesem Netz Macht & Emanzipation aus der Empfänger-Rolle bedeutete.
Die Produktionsmittel der Informationsgesellschaft.
Allein: Die Kompetenz der Menschen hielt nicht mit, sie wussten mit diesen Geräten kaum etwas anzufangen. Neuere Prozessorgenerationen wurden kaum noch zu ihrem vollen Potenzial ausgenutzt – außer zum Spielen vielleicht. Die Prophezeiung, dass irgendwann alle einen PC zu Hause stehen haben würden, war eingetreten – nur dass nicht alle das gleiche damit machen würden wie die, die diese Prophezeiung vor Jahrzehnten gemacht hatten – das hatte ich nicht bedacht.
Wenn man dies mit der Vision und dem Antrieb der frühen Computer-Pioniere vergleicht, fällt schnell der Unterschied auf. So schreibt Steven Levy über die Motivation der Hardware-Hacker in seinem Buch HACKERS:
“They were curious about systems as the MIT hackers were, but, lacking daily access to PDP-6s, they had to buildt their own systems. What would come out of these systems was not as important as the act of understanding, exploring, and changing the system themselves – the act of creation, the benevolent exercise of power in the logical, unambiguous world of computers, where truth, openness, and democracy existed in a form purer than on could find anywhere else” (Levy, Steven: HACKERS – Heroes of the Computer Revolution, Penguin Books 2001, p 192)
Im Gegensatz dazu stellt Linus fest:
Ja, es geht um Bock und Aufwand. Wir haben es schlichtweg versäumt, die offenen Strukturen und Protokolle, mit denen wir Nerds seit so langer Zeit glücklich sind, für unsere Großeltern, Eltern und Freunde attraktiv zu machen, die aufgrund eines uns unbekannten Defizits keine Freude & Aufregung empfinden, wenn sie ihren eigenen Kernel kompilieren. Sie wollen Rechner, die funktionieren. Ohne Probleme. Das ist ein legitimer Wunsch. Wir haben ihn aus der (korrekten) Überzeugung, dass ein Rechner sich ohne ein Mindestmaß an Kompetenz auch nicht vernünftig nutzen lässt, viel zu lange ignoriert.
Die Herausforderung wird somit in Zukunft sein, noch mehr Menschen klar zu machen was Freiheit wirklich heißt;
Es heißt nicht “Kaufe ich mir ein Android- oder iOS-System?”, sondern kann ich wählen, ob ich einen PC oder ein (mehr oder weniger) geschlossenes System benutze? Um wirkliche Freiheit zu haben, muss ich wählen können. Um wählen zu können, muss ich das Wissen dazu haben.
Es gab ja so manchen, der sich gefragt hat, ob Organisationen wie Foebud, CCC oder Ideen wie Freifunk in unserer modernen Welt noch wichtig sind. Wenn ich Linus Text so lese, bin ich der Überzeugung: Sie sind noch wichtiger als jemals zuvor! Es gibt noch zu viele Menschen, denen das Wissen fehlt, um frei wählen zu können. Und dies betrifft nicht nur die Frage nach der Hardware, sondern auch nach der Software (Stichwort: Open Source), dem Netzzugang (Stichwort: Freifunk) und dem Datenschutz.
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