Eines der großen Themen im Internet zur Zeit ist der Konflikt zwischen Öffentlichkeit und Privatem und damit verbunden die Auflösung der Grenzen zwischen privat und öffentlich einerseits und dem Zerfall der einzigen – durch Massenmedien geprägten – Öffentlichkeit in viele Teilöffentlichkeiten.
Grundsätzlich finde ich diese Diskussion gut und wichtig. Ich finde sie auch intellektuell interessant und anregend, eben weil diese so kontrovers ist. Was mich persönlich an der Diskussion aber immer wieder stört ist die Art und Weise, wie diese geführt wird. Stellenweise herscht hier die totale Panik, dass sich das Private völlig auflösen könnte und sich in einer Art totale Öffentlichkeit verwandelt; dass wir quasi zu einer Art Borg-Kollektiv werden, in dem unsere Hirne über das Netz verschaltet sind.
Ein Beispiel für diese Undiskussion ist der Beitrag von Alphonso in der FAZ (Das ist die Vorstufe zur Zwangsräumung) als Reaktion auf den Artikel von Jeff Jarvis in der Zeit (Deutschland, was hast Du getan?). Statt sich an den Argumenten abzuarbeiten oder einmal sachliche Argumente gegen bspw. StreetView im Speziellen oder gegen “Post-Privacy” und “digitaler Öffentlichkeit” im Allgemeinen zu bringen wird polemisiert (Anmerkung am Rande: Bloß weil manche Menschen keinen 9 to 5-Job haben sind die nicht arbeitslos.). Die Debatte wird statt dessen von Angst und Vorurteilen (u.a. vor und gegenüber von Google) geprägt.
Sinnvoller wäre eine Diskussion über unser heutiges Verständnis von Privatsphäre und Öffentlichkeit und die Grenze zwischen beiden. Einfach gesagt eine Beantwortung der Frage „Wie viel Öffentlichkeit vertragen wir, wie viel Privatsphäre wollen wir?“
Dies wäre auch ein lohnendes Thema für die Qualitäts-Medien, denn an dieser Grenze kann sich entscheiden, in welche Richtung sich unsere Gesellschaft in Zukunft entwickelt. Wird es eine offene, transparente Gesellschaft, in der auch Andersartigkeit gelebt werden kann oder werden wir uns in Richtung Biedermeier 2.0 entwickeln? Leider kann ich diesen Diskurs bis jetzt nur im Netz sehen, dabei geht er weit über das Internet hinaus.
Weiterführende Links zum Thema:
Carta: Die Ideologie Datenschutz (Christian Heller/plomlompom)
Christian Heller: Embracing Post-Privacy
mspr0: Kontrollverlust reloaded – Zur Wiedervorlage
mspr0: Vortrag: Das radikale Recht des Anderen
Felix Neumann: Der post-private Übermensch
Annalist: Neulich bei Twitter: Post-Privacy oder was man dafür hält
Chaosradio Express: CRE165 – Privatsphäre
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